Das Soziale Zentrum trägt den Namen „Käthe“.
Damit möchten wir nicht auf Heinrich von Kleists Schauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“, sondern auf einen anderen wichtigen Teil der Heilbronner Geschichte hinweisen. In der ehemals roten Hochburg schlossen sich während des deutschen Faschismus einige Frauen und Männer zu einer illegalen antifaschistischen Widerstandsgruppe, der sogenannten „Kaiser/Riegraf-Gruppe“, zusammen
Ihre Mitglieder waren KommunistInnen, SozialdemokratInnen und Anarcho-SyndikalistInnen. Sie standen mit anderen Widerstandsgruppen im In- und Ausland in engem Kontakt. Die „Kaiser/Riegraf-Gruppe“ führte Schulungen durch – über das Verhalten gegenüber der Gestapo und nach einer möglichen Verhaftung, aber auch über historisch- politische Themen wie den Imperialismus und die vom faschistischen Deutschland ausgehende Kriegsgefahr.
Ein Schwerpunkt der Gruppe war die Verteilung von sozialistischen und antifaschistischen Zeitungen, Flugblättern und Klebezetteln. So beteiligte sie sich z.B. an einer überregional koordinierten Aktion zur bevorstehenden „Reichstagswahl“ am 29. März 1936, bei der in Heilbronn wie in ganz Süddeutschland zeitgleich Plakate mit der Aufschrift „Hitler bedeutet Krieg“ verklebt wurden.
Kopf der Gruppe war neben dem Sozialdemokraten Hellmuth Riegraf die Kommunistin Sophie (genannt „Sascha“) Kaiser, die mit ihrem Ehemann Karl Kaiser 1931 von Berlin nach Heilbronn gekommen war und zunächst in der Dittmarstraße und später in der Oststraße wohnte. Sophie und Karl Kaiser waren beide seit Ende der 1920er Jahre Mitglieder der „KPD-Opposition“ (KPO), pflegten jedoch in Heilbronn von Beginn an intensive Kontakte sowohl zur lokalen KPD, als auch zu anderen Strömungen der ArbeiterInnenbewegung. Sie setzten sich vehement für den Zusammenhalt aller antifaschistischen Kräfte und gegen spalterische Tendenzen ein und standen damit unmissverständlich für eine parteiübergreifende „Volksfrontpolitik“ gegen den Faschismus.
„In der scharfen Auseinandersetzung setzten die Heilbronner Teilnehmer ein für allemal ihren Standpunkt für ihre illegale Organisation in Heilbronn durch: auf gar keinen Fall eine abgekapselte Splittergruppe, sondern eine maximale Öffnung, keine Streitigkeiten und Parteigruppierungen; die entscheidenden Momente liegen in der Gemeinsamkeit des Kampfes gegen den Faschismus und für die Sicherung einer fortschrittlichen sozialistischen Gesellschaft in Deutschland, für die Bewahrung eines dauerhaften Friedens, für die Fundierung der ökonomischen Basis als einer unverlierbaren Grundlage der Macht des werktätigen Volkes, deshalb in erster Linie für die unzerstörbare Einheit der Arbeiterklasse und für eine sozialistische Volkspartei (…)“
(Hellmuth Riegraf am 3.12.1975 über die Haltung der „Kaiser/Riegraf-Gruppe“)
Die „Kaiser/Riegraf-Gruppe“ arbeitete von Anfang an konspirativ und hatte verschiedene Methoden entwickelt, um sich vor dem Terror der Faschisten zu schützen. Sie teilte sich in mehrere Kleingruppen auf, benutzte unsichtbare Tinte und zum Schutz vor Fingerabdrücken Handschuhe und verwendete konsequent Decknamen. Der Deckname von Sophie („Sascha“) Kaiser war „Käthe“.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen kam es 1936 zu einer ersten Verhaftungswelle und 1938 wurde die aus über 50 Mitgliedern bestehende Gruppe durch die Gestapo endgültig zerschlagen. Die AntifaschistInnen, die die „Kerngruppe“ bildeten – darunter auch Sophie „Käthe“ Kaiser – wurden zu mehrjährigen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt. Sophie Kaiser saß daraufhin fast 4 Jahre in Einzelhaft in Aichach und Hagenau.
Mit dem Namen Käthe wollen wir an die mutigen Menschen der „Kaiser/Riegraf-Gruppe“ erinnern. Ihr gelebter Antifaschismus und ihre solidarische Zusammenarbeit über die Grenzen verschiedener Weltanschauungen hinweg sind auch viele Jahrzehnte später positive Bezugspunkte für uns.
Weitere Informationen zur „Kaiser/Riegraf-Gruppe“ finden sich im Buch „Es kann uns den Kopf kosten. Antifaschismus und Widerstand in Heilbronn 1930-1939“. Distel Verlag 1992. (Das Buch ist bei uns im Infoladen erhältlich) und auf der Homepage von „Zeitsprünge Heilbronn“. Dort finden sich u.a. Artikel mit Bild- und Videomaterial zu Karl und Sascha Kaiser, Hellmut Riegraf und Walter Vielhauer.